Legasthenie

Von einer Legasthenie spricht man, wenn sich bei Kindern beim Erlernen des Schreibens und Lesens Probleme ergeben, die durch abweichende Sinneswahrnehmungen hervorgerufen werden. Daraus folgt eine zeitweise Unaufmerksamkeit beim Schreiben und Lesen, die wiederum zu den typischen Wahrnehmungsfehlern führt.

 

„Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens“

 

pädagogische Definition von Dr. Astrid Kopp-Duller, 1995

 

Was ist die Ursache?
Legasthenie und Dyskalkulie sind im Menschen vorhandene genbedingte, durch Vererbung weitergegebene Veranlagungen. Durch gengesteuerte Entwicklungsprozesse im Gehirn werden die Sinneswahrnehmungen beeinflusst. Wissenschaftliche Forschungen haben bewiesen, dass eine Legasthenie größtenteils biogenetisch bedingt ist. Sie haben sechs Regionen auf den Chromosomen 1, 2, 3, 6, 15 und 18 festgestellt, die die Lese- und Rechtschreibfähigkeit indirekt beeinflussen. Durch diese Erbinformationen haben legasthene Menschen Probleme beim Erlernen der Kulturtechniken. Allerdings hat das nichts mit einer mangelnden Intelligenz zu tun: Bei den Betroffenen kann man bei der individuellen Diagnostik feststellen, welcher Wahrnehmungsbereich different ausgebildet ist.

 

Man unterscheidet acht Bereiche:

optische Differenzierung: Gesehenes herauserkennen/unterscheiden
optisches Gedächtnis: Gesehenes merken
optische Serialität: optische Serien
akustische Differenzierung: Heraushören/Unterscheiden
akustisches Gedächtnis: Gehörtes merken
akustische Serialität: akustische Serien
Raumorientierung: Raum- und Zeitwahrnehmung
Körperwahrnehmung: Körperschema, Körperbewusstsein

 

Es müssen nicht immer alle Bereiche betroffen sein. Es ist sogar möglich, dass nur ein Teilleistungsbereich betroffen ist, der dazu führt, dass das Erlernen des Lesens/Schreibens zu Komplikationen führt. In diesem Fall spricht man von Primärlegasthenie. Dem Kind kann auf der rein pädagogisch-didaktischen Seite geholfen werden. Eine Intervention sollte in allen drei Bereichen erfolgen, die eine Legasthenie verursachen, nämlich: Training der Aufmerksamkeit, Schärfung der betroffenen Sinneswahrnehmungen und Training an den Symptomen (Fehlerschwerpunkte). Wenn das Kind aber zusätzlich körperliche Symptome wie Seh- oder Hörprobleme zeigt oder bereits psychische Auffälligkeiten hinzukommen, weil es vielleicht schon länger unter dieser unerkannten Legasthenie gelitten hat, spricht man von einer Sekundärlegasthenie. In diesem Fall müssen andere Spezialisten hinzugezogen werden, wie Mediziner oder Psychologen, um dem Kind eine adäquate Hilfe zukommen zu lassen.

 

Sind Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) das Gleiche?

Es gibt verschiedene Gründe, die zu Problemen beim Schreiben und Lesen führen, deshalb muss man auch verschiedene Arten und Formen unterscheiden. Bei einer Legasthenie, auch spezielle Lese-Rechtschreib-Schwäche genannt, handelt es sich um eine genetische Anlage im Menschen, die ein Leben lang vorhanden ist und lediglich durch ein spezielles Training im Schreib- und Lesebereich zu Erfolgen führt. Dagegen ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche eine erworbene, meist vorübergehende Problematik, die durch psychische oder physische Ereignisse hervorgerufen werden kann. Die Unterscheidung zwischen Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche ist deshalb von größter Wichtigkeit, weil die Förderungen und Interventionen, die in beiden Bereichen stattfinden sollten, unterschiedlich sein müssen. Bei der Förderung eines legasthenen Menschen genügt es nicht, nur im Schreib- und Lesebereich zu arbeiten, sondern man muss unbedingt auch Interventionen zur Schärfung der Sinneswahrnehmungen – die man für das Schreiben, Lesen und Rechnen – und eine Verbesserung der Aufmerksamkeit – das Zusammenführen von Denken und Handeln – anstreben. Beim LRS-Kind genügt es meist, die Ereignisse, die die LRS hervorgerufen haben, in geregelte Bahnen zu leiten und ausgiebig im Symptombereich zu trainieren, damit sich Verbesserungen einstellen.

 

Eine Checkliste der Legastheniesymptome finden Sie hier.

 

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