Sommer

 Fink und Frosch
Im Apfelbaume pfeift der Fink

Sein: pinkepink!
Ein Laubfrosch klettert mühsam nach
Bis auf des Baumes Blätterdach
Und bläht sich auf und quackt: „Ja, ja!
Herr Nachbar, ick bin och noch da!“

 

Und wie der Vogel frisch und süß
Sein Frühlingslied erklingen ließ,
Gleich muß der Frosch in rauhen Tönen
Den Schusterbass dazwischen dröhnen.

 

„Juchheija, heija!“, spricht der Fink,
„Fort flieg ich flink!“
Und schwingt sich in die Lüfte hoch.

 

„Wat!“, ruft der Frosch, „dat kann ick och!“
Macht einen ungeschickten Satz,
Fällt auf den harten Gartenplatz,
Ist platt, wie man die Kuchen backt,
Und hat für ewig ausgequackt.

 

Wenn einer, der mit Mühe kaum
Geklettert ist auf einen Baum,
Schon meint, dass er ein Vogel wär,
So irrt sich der.

Wilhelm Busch

 
Kritik des Herzens
Die Selbstkritik hat viel für sich.

Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin.


Zum Zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen.


Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.

Wilhelm Busch

 

Guter Rat
An einem Sommermorgen, 

Da nimm den Wanderstab,
Es fallen deine Sorgen  
Wie Nebel von dir ab. 
  
Des Himmels heitre Bläue
Lacht dir ins Herz hinein
Und schließt, wie Gottes Treue,
mit seinem Dach dich ein.
 
Rings Blüten nur und Triebe   
Und Halme von Segen schwer,
Dir ist, als zöge die Liebe
Des Weges nebenher.
 
So heimisch alles klingt
Als wie im Vaterhaus,  
Und über die Lerchen schwingt
Die Seele sich hinaus.  

Theodor Fontane


Sommermorgen

O Sommermorgen, wie bist du so schön,
So schön im Tal und auf den Höhn!
Wenn’s Morgenrot aus Osten strahlt
Und golden den Saum der Wolken malt,
Und mit immer glänzend röterer Glut
Auf den Wipfeln der dunkelen Wälder ruht;
Wenn Halm’ und Blumen in Flur und Au
Frisch duften im kühlen Morgentau;
Wenn durch des Waldes Stille der Quell
Vorüberrieselt silberhell;
Wenn durch die Blätter säuselt der Wind
Und im Felde die Lerch’ ihr Lied beginnt:
Dann muss das Herz in Andacht beben
Und auch gen Himmel sein Lied erheben.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

 

Der Sommer

Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.
Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.
Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
Der Mensch verwundert sich, dass sein Bemühn gelinget,
Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.

Friedrich Hölderlin