Herbst

 Blätterfall
Der Herbstwald raschelt um mich her …

Ein unabsehbar Blättermeer
entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber, dessen schweres Herz
mitklagen will den großen Schmerz
Sei stark, sei stark und schweige!


Du lerne lächeln, wenn das Laub,
Dem leichten Wind ein leichter Raub,
Hinabschwankt und verschwindet.
Du weißt, dass just Vergänglichkeit
Das Schwert, womit der Geist der Zeit
Sich selber überwindet.
Christian Morgenstern

 

Einladung zur Martinsgans
Wann der heilge Sankt Martin

Will der Bischofsehr entfliehn,
Sitzt er in dem Gänsestall
Niemand findt ihn überall,
Bis der Gänse groß Geschrei
Seine Sucher ruft herbei.

 

Nun dieweil das Gickgackslied
Diesen heilgen Mann verriet,
Dafür tut am Martinstag
Man den Gänsen diese Plag,
Dass ein strenges Todesrecht
Gehn muss über ihr Geschlecht.

 

Drum wir billig halten auch
Diesen alten Martinsbrauch,
Laden fein zu diesem Fest
Unsre allerliebste Gäst
Auf die Martinsgänslein ein,
Bei Musik und kühlem Wein.

Achim von Arnim

 

Herbst

Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stillstes Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.
Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Heide,
Dass man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide
Lieg’ ein ferner Frühlingstag.
Theodor Storm