Winter

Knecht Rupprecht

Rupprecht:
Habt guten Abend, Alt und Jung
Bin allen wohl bekannt genung.


Von drauß vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor.
Und wie ich so strolcht durch den finsteren Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an:

Knecht Rupprecht, rief es, alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt’ und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!


So geh denn rasch von Haus zu Haus.
Such mir die guten Kinder aus,
Damit ich ihrer mag gedenken
Mit schönen Sachen sie mag beschenken.
Ich sprach: O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist.
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo’s eitel gute Kinder hat.
Hast denn das Säcklein auch bei dir?
Ich sprach: Das Säcklein, das ist hier,
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Fressen fromme Kinder gern.
Hast denn die Rute auch bei dir?
Ich sprach: Die Rute, die ist hier.
Doch für die Kinder, nur die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.
Christkindlein sprach: So ist es recht.
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!
Von drauß, vom Walde komm ich her,
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find:
Sind’s gute Kind’, sind’s böse Kind’?


Vater:
Die Kindlein sind wohl alle gut,
Haben nur mitunter was trotzigen Mut.


Rupprecht:
Ei, ei, für trotzgen Kindermut
Ist meine lang Rute gut!
Heißt es bei euch denn nicht mitunter:
Nieder den Kopf und die Hosen herunter?


Vater:
Wie einer sündigt, so wird er gestraft;
Die Kindlein sind schon alle brav.


Rupprecht:
Stecken sie die Nas auch tüchtig ins Buch,
Lesen und scheiben und rechnen genug?


Vater:
Sie lernen mit ihrer kleinen Kraft,
Wir hoffen zu Gott, dass es endlich schafft.


Rupprecht:
Beten sie denn nach altem Brauch
Im Bett ihr Abendsprüchlein auch?


Vater:
Neulich hört ich im Kämmerlein
Eine kleine Stimme sprechen allein;
Und als ich an die Tür getreten,
Für alle Lieben hört ich sie beten.


Rupprecht:
So nehmet denn Christkindleins Gruß,
Kuchen und Äpfel, Äpfel und Nuss;
Probiert einmal von seinen Gaben,
Morgen sollt ihr was Besseres haben.
Dann kommt mit seinem Kerzenschein
Christkindlein selber zu euch herein.
Heut hält es noch am Himmel Wacht;
Nun schlafet sanft, habt gute Nacht.

Theodor Storm


Winternacht

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreust.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künft’ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.

Joseph von Eichendorff

 
Weihnachtslied

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
     
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
 
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muss ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.
Theodor Storm